Lasst uns das Geschäft aus Sicht der Marke anschauen – und es selbstbewusst in die Zukunft führen
Von Bastian Schneider
Unternehmer:innen sind es gewohnt, das Geschäft aus vielen Perspektiven zu betrachten. Hier möchte ich dazu einladen, das Ganze einmal aus Sicht der Marke anzuschauen. Denn meine Überzeugung ist: Diese Perspektive ist von zentraler Bedeutung für den langfristigen Erfolg.
Das «positive Vorurteil» im Markt
Das vielleicht Wichtigste gleich vorweg: Wenn ich von Marke spreche, dann meine ich nicht das Logo. Und auch nicht die Werbung oder den Claim. All das sind zwar wichtige Elemente eines Markensystems. Aber sie sind eben nicht die Marke selbst und sollten nicht mit ihr verwechselt werden. Denn wenn einem das passiert, dann verstellt man sich den Blick für das Potenzial, das einem die Markenperspektive im Geschäft bieten kann.
Also, diesen Fehler machen wir jetzt nicht. Wir gehen eine Ebene tiefer in den Kaninchenbau der Markenführung. Vorbei auch an all den theoretischen Definitionen über Marke (Die helfen uns nicht wirklich weiter, da sie abstrakt sind). Und rein in den täglichen Praxisalltag der Markenführung. Hier hat es sich seit Jahren bewährt, die Marke als «positives Vorurteil» zu verstehen. Als den guten Ruf, den sich ein Unternehmen über viele Jahre seriöser und mühevoller Geschäftsführung in seinem Markt aufgebaut hat.
Ist dieses «positive Vorurteil» im Markt einmal ausgebildet, sorgt die Marke im Geschäft für ein beträchtliches Mass an Stabilität – und an produktiver (struktureller) Dynamik. Sie stiftet Vertrauen, Orientierung und Inspiration und kann Menschen sehr effektiv dabei helfen, ihre Entscheidungen zu treffen. Vor allem ist das für die Beziehung zu unseren Kunden wichtig, damit diese sich (möglichst oft) für unsere Produkte entscheiden. Aber es gilt mit hoher Relevanz auch für die Beziehung zu unseren Mitarbeitenden. Denn je enger diese mit uns verbunden sind, desto engagierter können sie sich für unsere Ziele einsetzen und desto besser können sie ihre täglichen Entscheidungen treffen.
Die «aufgeladene» Kraft der Marke steht Unternehmen als Ressource zur Gestaltung des Geschäfts zur Verfügung.
Diese oft mit Blut, Schweiss und Tränen über viele Jahre «aufgeladene» Kraft der Marke steht Unternehmen als Ressource im aktuellen Geschäft «kostenfrei» zur Verfügung (bezahlt hat man dafür ja schon):
Um sich im Markt gegenüber dem Wettbewerb durchzusetzen.
Um neue Produkte oder Services mit Vertrauensvorschuss einzuführen.
Um intern das Engagement und die Identifikation der Mitarbeitenden zu stärken.
Markenführung in diesem Sinn bedeutet, das «Öffentliche Vertrauen» zu gewinnen (danke Hans Domizlaff) – und es dann mit aller kaufmännischen Ernsthaftigkeit zu pflegen und zu hegen – und es als essenzielle Ressource im Geschäft konsequent und fokussiert weiter auszubauen.
Das «Monopol» im Kopf
Wenn das mit dem Markenaufbau richtig gut läuft, dann lässt sich das «positive Vorurteil» Marke über die Zeit in den Köpfen der Kunden und Mitarbeitenden zu einer «Monopolstellung» ausbauen.
Diese ist nicht zu verwechseln mit dem unfreiwilligen Monopol, das wir von früher kennen. Das mit einem schlechten Image behaftet ist und eher für schwache Produkte und fürchterlichen Kundenservice steht. Das Gegenteil ist der Fall: Hier ist eine Monopolstellung in den Köpfen der Menschen gemeint, die sich ein Unternehmen durch starke Leistung und unter den Bedingungen des freien Marktes redlich erworben hat.
Eine Monopolisierung, die Menschen freiwillig eingehen. Weil sie wollen. Nicht weil sie müssen. Eine Monopolisierung, die ein Unternehmen für sie nicht nur zur ersten Wahl unter vielen Alternativen macht. Sondern zur einzigen.
Das Erfolgsprinzip Marke gilt für jedes Unternehmen. In allen Branchen – sowohl im B2C als auch im B2B Bereich.
Wir alle kennen herausragende Unternehmen wie Apple, die diese freiwillige Monopolisierung sehr lange und sehr erfolgreich «ökonomisieren» können. Dieses Beispiel hat man ja schon oft gehört. Aber das Erfolgsprinzip Marke gilt prinzipiell für jedes Unternehmen. In allen Branchen und Ländern. Sowohl im B2C- als auch im B2B-Bereich! In jeder Branche gibt es kleine und grössere Unternehmen, bei denen man «Markenkräfte am Werk» beobachten kann.
Und, ich bin mir sicher: Auch Sie – lieber Leser, liebe Leserin – haben ganz bestimmt in Ihrem Unternehmen treue Kunden, die Ihnen schon über sehr viele Jahre hinweg das Vertrauen schenken und dies nicht bei jeder Gelegenheit immer wieder neu hinterfragen. Kunden, die bereitwillig Ihre Preise zahlen und Sie aktiv und bedingungslos weiterempfehlen. Weil sie Ihnen vertrauen.
Drei Fragen mit grosser Wirkung
Die spannendsten Fragen im Rahmen der Geschäftsentwicklung eines Unternehmens sind für mich deshalb auch die folgenden drei. Allein mit ihrer Hilfe kann man seinem Geschäft schon eine gehörige Portion Markenorientierung verpassen und einen kräftigen Schubs in Richtung einer dauerhaft profitablen Zukunft geben – wenn man sie wirklich ernst nimmt:
Die Frage nach dem MARKENSTATUS:
Welche Ihrer Kunden können Sie ohne Einschränkungen als «Monopol-Kunden» im obigen Sinne beschreiben? Wie hoch ist ihr Anteil an der Summe aller Kunden? Wie entwickelt sich dieser Anteil über die Zeit?Die Frage nach den MARKENURSACHEN:
Wie ist Ihnen die Monopolisierung dieser Kunden gelungen? Was sind die ursächlichen, ganz spezifischen Erfolgstreiber Ihrer Marke? Welche Leistungen verstärken sich in der Wirkung auf Ihre Kunden dabei gegenseitig, sodass 1+1=3 ergibt? Haben sich diese über die Zeit verändert? Können Sie Leistungs-Schwerpunkte oder Entwicklungen für die Zukunft erkennen?Die Frage nach der MARKENENTWICKLUNG:
Was können Sie in Ihrem Unternehmen ab heute konkret Neues und Besseren unternehmen, um aus Ihren Kunden und aus Ihren potenziellen Neukunden noch viel mehr «Monopol-Kunden» zu machen? Auf welche Ihrer Stärken setzen Sie dabei besonders? Und wo müssen Sie sich mit neuen Kompetenzen verstärken?
Die Suche nach den Ursachen der Markenkraft
Wenn Sie sich mit diesen drei Fragen auf die Suche nach den Erfolgstreibern ihrer Marke machen, dann geben Sie sich nicht zu schnell mit oberflächlichen Antworten zufrieden. Fragen Sie kritisch mindestens fünf mal mit «Warum» nach und bringen Sie Ihre Erkenntnis-Qualität von der Symptomebene auf die Ursachenebene! Hier ein paar erste Ansatzpunkte für eine zielführende Suche:
1. Suchfokus «Leistungs-Ebene»
Von grösster Bedeutung für die Markenbildung sind sehr oft die Produkte und die Mehrwerte, die sie Kunden stiften. Denn mit den Produkten machen Kunden die intensivsten und dauerhaftesten Erfahrungen. Denken Sie an Porsche, Apple, Dyson, Nespresso. Die Produkte sind oft die zentralen Markentreiber.
Aber die Produkte stehen nicht alleine da. Sie «kooperieren» mit sehr vielen anderen «Leistungen» des Unternehmens. Welche das sind, ist hochgradig markenspezifisch.
Zum Beispiel machen oft die vertrieblichen oder ergänzenden Services rund um den Produktverkauf den feinen Unterschied aus: Wird kompetent beraten? Im Kundeninteresse? Werden komplexe Sachverhalte nachvollziehbar erklärt? Wird es dem Kunden einfach gemacht? Wird für ihn vorausgedacht? Verhalten sich die Mitarbeitenden ehrlich, freundlich, höflich, zuvorkommend – oder arrogant? Beides kann übrigens «richtig» sein; das ist abhängig vom jeweiligen Markenkontext.
2. Suchfokus «Community-Ebene»
Aber auch jenseits dieser «Leistungs- und Erlebnis-Ebene» lassen sich kraftvolle Markentreiber aufbauen – wenn man seine Marke nicht länger nur als Absender von Produkten und Services versteht sondern auch als Wertegemeinschaft. Als Community, der sich Menschen entsprechend ihrer persönlichen Präferenzen anschliessen können.
Marken wie zum Beispiel Lego, Harley Davidson oder auch Red Bull gelingt es heute sehr erfolgreich, ihre Kunden zu aktiven Teilnehmern der Marken-Community zu machen – und so ein völlig neues Niveau an Beziehungsqualität sowie kultureller Relevanz und Vitalität entstehen zu lassen.
3. Suchfokus «Sinn-Ebene»
Immer wichtiger werden heute aber insbesondere die den Produkten und Services zugrunde liegenden Werte, Motive und Haltungen des Unternehmens (Stichwort «Sinnökonomie»).
Immer mehr Kunden beginnen sich für diese Fragen ernsthaft und kritisch zu interessieren: Was will das Unternehmen erreichen? Welche Werte gelten dabei? Wofür übernimmt es Verantwortung? Welchen Sinn will und kann es stiften, mit dem man sich identifizieren kann? Welchen gesellschaftlichen Beitrag will und kann es leisten? Hat es ein relevantes Anliegen jenseits der Gewinnmaximierung, für das es sich zu engagieren lohnt?
Immer mehr Marken können hier glaubwürdige Sinn-Angebote machen und im Wettbewerb punkten. Denken Sie an Patagonia, Katjes, Rügenwalder, Weleda oder auch Nike (mit der grossartigen «Dream Crazy» Kampagne) – Sinn ist der Markentreiber der Zukunft.
4. Suchfokus «Markenoberfläche»
Und am Schluss können natürlich auch der visuelle Markenauftritt (inkl. Logo) sowie die Kommunikation und die Werbung wichtige Markentreiber sein – und sollten konsequenterweise auch kritisch analysiert und gestaltet werden.
Sie verstärken den produkt-, service- und wertebezogenen Beziehungsaufbau zu den Kunden, indem sie die Werte und Leistungsversprechen des Unternehmens möglichst anschaulich greifbar machen. Sie mittels Symbolen verdichten. Mittels Ritualen im Kundenverhalten verankern und mittels neuer Impulse immer wieder für neue Aufmerksamkeit sorgen.
Das Ökosystem Marke
In den Köpfen der Menschen vernetzen sich ALLE diese Leistungen des Unternehmens zu EINEM Markenbild. In Summe bauen sie Bedeutsamkeit und Vertrauen auf und prägen die Beziehungsqualität – bis zur Monopolstellung. Je «dichter» sie gestaltet und orchestriert werden, desto grösser kann die Bindungskraft der Marke im Publikum sein – und desto grösser wird der ökonomische Beitrag der Marke für das Geschäft sein.
Für eine dauerhaft erfolgreiche Entwicklung des Geschäfts sollten deshalb die Leistungen aller Abteilungen und Bereiche entsprechend mit Markenbewusstsein und Fokus «aus einem Guss» gestaltet, gemanagt und marktnah in Richtung Markenzukunft weiterentwickelt werden. Und spätestens dafür braucht es dann eine klare, scharfe und handlungsleitende Positionierung als zentrales, ganzheitliches und zukunftsgerichtetes Führungsinstrument aller Aktivitäten.
Diese substanzielle Leistungs-Positionierung (explizit meine ich hier keine der oft üblichen und oberflächlichen Kommunikations-Positionierungen) herauszuarbeiten und sie dann mit Mut, Willen und Tatkraft trotz aller Krisen, Opportunitäten, Rückschläge und Veränderungen im Markt auf Dauer auch wirklich durchzusetzen – das ist wohl die grösste Herausforderung bei der ganzen Sache. Mein tiefer Respekt gilt all denen, die sich ihr stellen.
Fazit
Die hier beschriebene «markenorientierte» Führung des Unternehmen ist aus meiner Sicht der effektivste Weg, wie man sein Geschäft managen und in die Zukunft entwickeln kann. Auch aus rationaler, kaufmännischer Sicht. Es macht ökonomisch durch und durch Sinn, alle verfügbaren Ressourcen für den dauerhaften Geschäftserfolg zu mobilisieren. Und die Marke – verstanden als das «positive Vorurteil» im Markt, verstanden als die Monopolstellung in den Köpfen der Menschen, verstanden als komplexes, eingeschwungenes Ökosystem – ist die wertvollste Ressource, über die Unternehmer:innen verfügen.